Europa wird offener

Wie queer ist das denn? Europa wird diverser und toleranter

Die Nachrichten sind nach wie vor geprägt von schlechten Nachrichten. Ob Ukraine-Krieg, Erdbeben in der Türkei und Syrien (und jetzt auch noch in Pakistan!) oder eine nach wie vor extrem hohe Inflation: Manchmal möchte man Augen und Ohren einfach zusperren und sich in die innere Migration begeben. Dann würde man allerdings auch die positiven Nachrichten verpassen, die es nach wie vor gibt. Dazu gehört beispielsweise, dass nicht nur Österreich, sondern weite Teile Europas immer toleranter werden. Der Deutsche Lesben und Schwulenverband (LSVD) nennt dazu klare Zahlen aus einer repräsentativen Umfrage von 2021. Und man kann davon ausgehen, dass sich die positive Tendenz seither weiter fortgesetzt hat.

Conchita hat dabei geholfen, die Türen weiter zu öffnen

Conchitas fulminanter Auftritt beim ESC hielt den Europäern einen Spiegel vor: Wie bewertet man die sagenhafte Show einer bärtigen Frau mit gewaltigem Stimmvolumen? Im Norden und Westen Europas fühlte man sich an großartige James Bond-Songs erinnert und hob die österreichische Diva auf den Thron des Gesangs. In osteuropäischen Ländern hingegen schüttelte man ungläubig den Kopf angesichts des „verlotterten“ Westens. Dort allerdings hat man mit den Achseln gezuckt und seither noch mehr frischen Wind hineingelassen. Auch in anderen Bereichen der Sexualität: Heute wird beispielsweise auch viel offener über den Einkauf bei Beate Uhse gesprochen.

Resultate aus einer YouGov-Umfrage von 2021 lassen aufhorchen

Insgesamt wurden 10.175 Erwachsene aus acht verschiedenen Ländern (Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Italien, Schweden, Spanien und den USA) zu ihrer Einstellung im Hinblick auf die LGBT-Community befragt. Besonders im Fokus stand der Umgang mit schwulen, lesbischen oder bisexuellen Menschen im eigenen Umfeld. Dabei zeigte sich, dass etwa religiöse Traditionen nur noch eine geringe Rolle spielen. Im katholisch geprägten Spanien gaben 87 % der Befragten an, ein (eigenes) Kind oder ein anderes enges Familienmitglied beim Outing als transgender oder nicht-binär (sehr) zu unterstützen. Im laizistischen Frankreich zeigt man sich zugeknöpfter: Hier liegt der Wert nur bei 47 %. Unterschiede gibt es aber auch in der eigenen Definition. In Spanien fühlen sich laut Umfrage 10 % der LGBTQ-Community zugehörig, in Dänemark ist der Wert nur halb so hoch. Auch Deutschland belegt im Ranking einen der hinteren Plätze. Inwieweit gesellschaftliche Konventionen hierbei eine Rolle spielen, muss noch untersucht werden. Auch muss man von einem verzerrten Bild ausgehen: Während einige Befragte sich über die eigene Position nicht im Klaren sind oder sich diese nicht eingestehen, zeigen sich andere in einer Umfrage offener als im gelebten Alltag.

Auch der Playboy wollte wissen: Wie tolerant sind die Deutschen gegenüber sexueller Vielfalt?

Sicher kann man die Zahlen unserer nordwestlichen Nachbarn nicht 1:1 auf Österreich übertragen. Man kann aber davon ausgehen, dass sich hier ein ähnliches Bild abzeichnet wie in Deutschland. Ebenfalls im Jahr 2021 führte das Meinungsforschungsinstitut Norstat 1.023 Interviews mit 1.023 zufällig ausgewählten Personen. Darin gaben 75 % der Frauen und 61 % der Männer an, CSD-Demos positiv gegenüberzustehen, lediglich 5 beziehungsweise 11 % nehme eine komplett ablehnende Haltung ein. Auch bei der „Ehe für alle“ gibt es mit 82 % (Frauen) beziehungsweise 62 % (Männer) eine mehrheitliche Zustimmung. Etwas befremdlicher: 28 % der Frauen und 45 % der Männer gaben an, dass sexuelle Minderheiten etwas weniger Raum in der Öffentlichkeit und in den Medien bekommen sollten.

Die Veränderung ist nicht mehr aufzuhalten

Fakt ist: Genau wie die Zuwanderung aus fremden Kulturen sorgt auch die sexuelle Vielfalt bei einigen Menschen für Befremden. Wer die Realitäten allerdings akzeptiert und die Verschiedenheit der Menschen als Tatsache anerkennt, kann sie als Bereicherung auch für das eigene Leben annehmen. Und dabei spielt es keine Rolle, wo man selbst herkommt und wo man seine eigene Geschlechtsidentität verortet. Die Intoleranz wird es in dieser Hinsicht jedenfalls immer schwerer haben.